Von der Verwirrung der Begriffe im Betreuungsrecht

Mit der Reform des Betreuungsrechts im Jahre 1992 wurde die Entmündigung abgeschafft, an deren Stelle trat das Betreuungsrecht. Die Probleme, die sich im alltäglichen betreuerischen und gerichtlichen Handeln der beteiligten Personen zeigen, gründen nicht zuletzt in den im Betreuungsrecht verwendeten Begriffen. Dies beginnt bereits bei den Begriffen „Betreuer“ und „Betreuung“. Zu dem Begriff „Betreuung“ finden sich als Synonyme die Begriffe „Fürsorge“, „Service“, „Therapie“ und „Sorge“, „Fürsorglichkeit“, „Hege“, „Hilfe“, „Obhut“, „Schonung“, „Schutz“ und „Pflege“. Der Begriff wird auch im Kontext „Kinderbetreuung“ und „Kindertagesbetreuung“ im Sinne von Beaufsichtigung benutzt, zudem bei der begleitenden Betreuung im Studium, einer wissenschaftlichen Arbeit, der psychosozialen Betreuung im Rahmen einer Soziotherapie oder betreutem Wohnen. Der Begriff wird ebenfalls verwendet bei der Betreuung durch den sozialpsychiatrischen Dienst, durch den Betreuungsdienst im Rahmen des Katastrophenschutzes bei großen Schadensereignissen, der künstlerischen Unterhaltung von Soldaten im Fronteinsatz, Truppenbetreuung sowie der Betreuung von Tieren, Anlagen etc.. Sämtliche Worte deuten auf ein pflegerisches und umfassendes Handeln hin. Das ist aber rechtliche Betreuung gerade nicht. Ein Betreuer im rechtlichen Sinne ist eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmen Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen, § 1897 Abs. 1 BGB. Der Betreuer vertritt den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich, § 1902 BGB. Betreuung ist demgemäß gesetzliche Vertretung in den dem Betreuer übertragenen Aufgabenkreisen. Sie ist gerade nicht das, was der Begriff suggeriert, umfassende Sorge und Pflege, sondern gesetzliche Vertretung, auch wenn diese Vertretung an den Wünschen und dem Wohl des Betreuten auszurichten ist, § 1901 Abs. 2 und 3 BGB. Der Gesetzgeber benutzt ausschließlich in § 1897 BGB, ganz verschämt am Ende des Absatzes 1, den Wortlaut „persönlich zu betreuen“. Damit verwendet er innerhalb des Betreuungsrechts den Begriff selbst mit unterschiedlicher Bedeutung. Sachgerechter sind die Begriffe „Sachwalter“ oder „Sachwalterschaft“, wie diese in Österreich und der Schweiz verwendet werden. Der Tätigwerdende verwaltet die Sachen des Betroffenen. Der Begriff „Betreuung“ hingegen suggeriert den Angehörigen und den Betreuten gerade ein umfassendes fürsorgendes Tätigwerden des Betreuers in allen Belangen und konfrontiert diesen mit einem Anforderungsprofil, das mit dem gesetzgeberischen Entwurf nicht übereinstimmt. Viele praktische Probleme entstünden nicht, hätte der Gesetzgeber einen anderen Begriff verwandt.

Mangelt es schon am richtigen Begriff der Betreuung, so zieht sich die fehlerhafte Begriffsbestimmung weiter durch die Gesetzestexte. Das Gericht bestimmt Aufgabenkreise, in denen die Betreuung erforderlich ist. Innerhalb dieser Aufgabenkreise, § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB, vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich. Einer dieser Aufgabenkreise wird gemeinhin „Gesundheitsfürsorge“ oder „Gesundheitssorge“ genannt. Dies bedeutet wortgetreu, dass der Betreuer für den Betreuten gesetzlich vertretend für dessen Gesundheit fürsorgt. Dieser Begriff ist unrichtig. Der Betreuer hat nicht für die Gesundheit des Betreuten zu sorgen, dafür sind die Ärzte zuständig, gegebenenfalls auch die Eltern des Betreuten oder andere ihm nahestehende Menschen. Der Betreuer muss morgens nicht bei dem Betreuten vorbeischauen und prüfen, ob er warm genug angezogen ist, damit er keine Erkältung bekommt. Das wäre Fürsorge. Der Betreuer vertritt den Betreuten jedoch gesetzlich. Betreuung ist gesetzliche Vertretung, § 1902 BGB. In diesem Rahmen vertritt der Betreuer den Betreuten in Gesundheitsangelegenheiten. Der Betreuer willigt für den Betreuten, der nicht mehr einwilligen kann – denn ansonsten macht er das selbst – in Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe ein. Der Aufgabenkreis wäre demnach richtiger mit „Einwilligung in Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe“ oder „Einwilligung in ärztliche Maßnahmen“ zu bezeichnen.

Die fehlerhafte Begrifflichkeit hat auch erhebliche, für die Betreuer nachteilige Folgen. Das Bundessozialgericht leitet aus der fehlerhaften Bezeichnung des Aufgabenkreises „Gesundheitssorge“ her, dass der Betreuer für alle Gesundheitsangelegenheiten des Betreuten Fürsorge zu tragen habe, also auch dafür Sorge zu tragen habe, dass dieser krankenversichert sei [1]. Die Richter führten dazu aus, dass das Amtsgericht angeordnet habe, dass der Aufgabenbereich des Betreuers die „Sorge für die Gesundheit” umfasse. Der Betreuer habe mit der Sorge für die Gesundheit die Vertretungsmacht für alle Rechtsgeschäfte erlangt, die erforderlich seien, um für die Gesundheit des Betreuten sorgen zu können. Hierzu gehörten nicht nur der Abschluss einzelner Arzt-, Krankenhaus- und Transportverträge. Vielmehr zählte dazu, wenn die Krankenversicherung des Betreuten ende, auch und sogar in erster Linie die Abgabe der Erklärung, die zur Fortsetzung der Krankenversicherung erforderlich sei. Erst danach und hierauf aufbauend sei es dann Sache des Betreuers, je nach Erforderlichkeit über die einzelnen Behandlungs- und Gesundheitsmaßnahmen und die hierzu erforderlichen Rechtsgeschäfte zu entscheiden (z. B. einzelne Behandlungsverträge, Einwilligung in Operationen). Der Betreute erwerbe durch eine Weiterversicherung umfassende Leistungsansprüche in einer unbestimmten Zahl von künftigen Behandlungsfällen, die durch die Inanspruchnahme einzelner Maßnahmen konkretisiert würden. Erst die Weiterführung einer Krankenversicherung schaffe mithin die Voraussetzung dafür, dass der Betreuer seiner Aufgabe, für konkrete Gesundheitsmaßnahmen des Betreuten zu sorgen, dauerhaft nachkommen könne.

Die Folge der Verwendung des fehlerhaften Begriffs bei der Bezeichnung des Aufgabenkreises war die Haftung des Betreuers. Bei der richtigen Bezeichnung des Aufgabenkreises mit „Einwilligung in ärztliche Maßnahmen“ wäre eine solche nicht eingetreten, sie beschränkt sich auf die Einwilligung in ärztlichen Maßnahmen. Für die Vertretung in den Angelegenheiten betreffend den Krankenversicherungsschutz wäre ausdrücklich der Aufgabenkreis „Vertretung in Krankenversicherungsangelegenheiten“ oder „Vertretung gegenüber Sozialversicherungsträgern“ zu verfügen. Dann wäre der Aufgabenkreis auch hinreichend bestimmt und man könnte besser erkennen, welche Aufgaben übertragen werden.  

 

[1] BSG, Urteil vom 14. 5. 2002 - B 12 KR 14/01 R, NJW 2002, 2413

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